LEED ODER WAS?
Als Moderator des Symposiums konnten wir den Architekturkritiker Prof. Dr. Falk Jaeger aus Berlin gewinnen, der seinen Vortrag unter das Thema „Nachhaltige Verwirrung – die Crux mit einem inflationär benutzten Begriff“ stellt. Die Architekten Oliver Kühn, GKK+ Architekten aus Berlin sowie Gerd Bergmeister, bergmeisterwolf architekten aus Brixen, Italien, werden über aktuelle nachhaltige Projekte berichten. Thomas Hoinka, greenbuildingproducts.eu aus Sindelfingen wird einen Überblick über die verschiedenen Gebäudezertifizierungssysteme geben. Den Abschluss bildet der Vortrag „Form follows Energy“ von Prof. Brian Cody vom Institut für Gebäude und Energie der TU Graz, Österreich.
Ein Nachbericht von Architekturkritiker Prof. Dr. Falk Jaeger:
Das Thema des Jahrzehnts
Ein typisches und ein dankbares Symposiums-Thema, diese Nachhaltigkeit. Ein Begriff, den es erst einmal zu definieren, erklären, abzugrenzen, gilt. ContractWorld und der AIT-ArchitekturSalon haben sich des Themas gründlich angenommen, auf allen publizistischen Ebenen einschließlich Architekturpreis.
Es geht alle an, und da er in weiten Bereichen mit Ökologie in der Architektur synonym ist, erfreut er sich „nachhaltigen“ Interesses in der Architektenschaft. Doch kaum ein Begriff ist auch so vielschichtig und komplex. Ruft man eine handvoll Architekten zusammen, die über Nachhaltigkeit referieren sollen, kann man eines bunten Programms sicher sein. Wie kürzlich beim Symposium „LEED oder was?“ im AIT-ArchitekturSalon München, den zu moderieren der Rezensent die Ehre hatte.
Die Richtschnur für nachhaltiges Planen und Bauen liefern heutzutage die Zertifizierungssysteme. Laut einer Studie der TU Darmstadt von 2008 gibt es derzeit 55 Bewertungssysteme, deren Kriterien notabene zu Richtlinien geworden sind. Ihr Sinn liegt in der Notwendigkeit, Gefühle messbar und vergleichbar zu machen mit dem Ziel umfassende Qualitätssicherung und Vergleichbarkeit. Aus einer recht komplizierten Matrix wird eine Gesamtnote destilliert. Das ist richtig Arbeit. Man braucht dazu einen LEED Accredited Professional, einen BREEAM Assessor oder einen DGNB Auditor. Thomas Hoinka ist ein solcher und gab einen Überblick über LEED, DGNB und BREEAM als Leitfaden für nachhaltiges Bauen.
Wie das dann aussehen könnte, zeigten die Architekten an ihren Werken.
Gerd Bergmeister von bergmeisterwolf architekten aus Brixen zum Beispiel versteht den Begriff Nachhaltigkeit als Verpflichtung, mit der Architektur sehr bewusst in die Landschaft zu gehen, nicht nur durch intensive Beziehungen des Bauwerks zum Genius loci, auch durch die gezielte Verwendung ortstypischer und ortsverträglicher Baumaterialien.
Oliver Kühn aus Berlin, der mit seinem Büro GKK+Architekten eher innerstädtische, großformatige, oft ausnehmend kommerzorientierte Projekte im Portfolio hat, zeigte, wie er Wege zur Minimierung von technischem Aufwand sucht, die man zum Erreichen einer optimalen Energiebilanz einsetzt. Beim Hochhaus der Süddeutschen Zeitung war es gelungen, mit nur einem Fassadensystem und nur einem universellen, unaufwendigen Heizungs-Lüftungssystem für alle Räume des Hauses auszukommen.
Ob sich dann die eingesetzte Doppelfassade rechnet, wird das Monitoring des Gebäudes erweisen. Brian Cody von der TU Graz stellt den Sinn solch aufwändiger Doppelfassaden grundsätzlich in Frage. Er denkt ohnehin grundsätzlich, weiß viele Zahlen, Tabellen und Kurven zu präsentieren, die für die zukünftige Entwicklung des Planeten, der Weltenergiebilanz und des Bauwesens nichts Gutes erwarten lassen. So wie es läuft, kann es nicht weitergehen, ist die Quintessenz. Seine radikale Denkweise führt ihn auch zu radikalen Gebäudekonzeptionen, die er mit gleich gesinnten Querdenkern wie Coop Himmelb(l)au zu realisieren sich anschickt. Er lässt ein gleichermaßen verunsichertes wie nachdenkliches Publikum zurück.
Was in der technisch orientierten Diskussion oft zu kurz kommt ist die emotionale Bindung des Benutzers zu seinem Gebäude. Ein geschätztes Gebäude wird er nachhaltig nutzen und beleben, pflegen und erhalten. „Schönheit“ ist hier das Stichwort, genauer: dauerhafte Schönheit als Aspekt des nachhaltigen Bauens also. Hier und da befassen sich Architekten mit diesem Aspekt und suchen nach formalen Kriterien, die Dauerhaftigkeit versprechen oder gar garantieren. Sie könnten ein solches Symposium um einen wichtigen Aspekt ergänzen.
Wenn dann noch der Spaßfaktor dazukommt, den der neue dänische Architektenstar Bjarke Ingels (BIG) propagiert, er spricht von „Hedonistic Sustainability“, ist für nachhaltige Diskussionen gesorgt.
Selten war ein aktuelles Architekturthema so bedeutsam und sprach so viel interessiertes Fachpublikum an. Schon Mitte Januar auf der CotractWorld in Hannover wird das Thema weitergesponnen werden. Falk Jaeger
Austellungsdauer:
Kongress: 19. November 2010 | 14:00 Uhr
Austellungsdauer: 29. Oktober 2010 bis 19. November 2010
Programm:
14.00 bis 14.15 UhrBegrüßung durch AIT
14.15 bis 15.00 Uhr
„Nachhaltige Verwirrung – die Crux mit einem inflationär benutzten Begriff“
Prof. Dr. Falk Jaeger, Architekturkritiker, D-Berlin
15.00 bis 15.45 Uhr
„Material und Landschaft“
Gerd Bergmeister, bergmeisterwolf architekten, IT-Brixen
15.45 bis 16.30 Uhr
„Gebäudezertifizierungssysteme im Überblick –
LEED, DGNB, BREEAM als Leitfaden für nachhaltiges Bauen“
Thomas Hoinka, greenbuildingproducts.eu, D-Sindelfingen
16.30 bis 17.00 Uhr
Pause | Kaffee und Kuchen
17.00 bis 17.45 Uhr
„Energie und Effizienz“
Oliver Kühn, GKK+Architekten, D-Berlin
17.45 bis 18.30 Uhr
„Form follows Energy“
Prof. Brian Cody, TU Graz, IGE – Institut für Gebäude und Energie, A-Graz
18.30 Uhr
After Work mit Fingerfood und Musik